Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938
Im Gestapo-Lager Neue Bremm wurden ungefähr 50 Personen
beschäftigt. All diese Aufseher, Sekretärinnen und
Verwaltungsangestellten waren im Rahmen der Notdienstverordnung
durch das Arbeitsamt in das Lager geschickt worden.
Jene »Dritte Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für
Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung« vom
15. Oktober 1938 ermöglichte es, Pensionäre, Rentner, Hausfrauen
oder Invaliden zu einer »kriegswichtigen« Arbeit zu verpflichten.
Die Gestapo forderte von den Arbeitsämtern reichsweit über
13.000 »Notdienstverpflichtete« an, um alle ihre Organisationen
und Institutionen funktionsfähig zu halten.
Die meisten der vom Arbeitsamt Saarbrücken in das Lager Neue
Bremm vermittelten Männer und Frauen waren vorher weder in
nationalsozialistischen Organisationen aktiv gewesen, noch hatten
sie je etwas mit den Verfolgungspraktiken von Gestapo und SS zu tun
gehabt. Dennoch misshandelten, folterten und ermordeten viele von
ihnen Gefangene.
Dabei wurde keiner der dienstverpflichteten Aufseher von den
Vorgesetzten dazu gezwungen, Häftlinge zu misshandeln.
Es lag in der Verantwortung des Einzelnen, ob er sich an der von der
Gestapo in Gang gesetzten Gewalteskalation beteiligte.
Der 67-jährige Robert Rudy, weigerte sich, Gefangene zu misshandeln
und berief sich dabei auf die Dienstvorschriften: »Ich habe bei dem
Untersturmführer Schmoll erklärt, daß ich mich genau an die
Vorschriften halte, auf Grund deren das Schlagen von Häftlingen
verboten war.« (Aussage Robert Rudy im Rastatter Prozess 1946.
Robert Rudy, geb. 1877, Bäcker, war von April bis Dezember 1944 als
Wachmann im Lager Neue Bremm)
Andere dienstverpflichtete Aufseher nutzten die
Handlungsspielräume jedoch, um Gefangene zu quälen und zu
misshandeln, wie der 63 Jahre alte ehemalige Bergmann Nikolaus
Drokur: »Ich gestehe, daß ich während meiner Dienstzeit als Aufseher
im Lager Neue Bremm Häftlinge mit Füßen getreten, mit
Gummiknüppeln geschlagen, mit Gewehrkolben nach Gefangenen
gestoßen habe. Ich gestehe weiter, daß ich die Häftlinge um den in
der Lagermitte liegenden Teich laufen und sie Auf und Nieder machen
ließ und sie schlug, wenn sie meinem Befehl nicht rasch genug
nachkamen.« (Aussage Nikolaus Drokur im Rastatter Prozess 1946.
Nikolaus Drokur, geb. 1880, pensionierter Bergmann, war von April
1943 bis August 1944 Aufseher im Lager Neue Bremm.)